Mittwoch, 5. April 2006

Einfluss der PR auf den Journalismus

Die Grenze, wie weit der Einfluss von Presse-/Medienarbeit gehen darf, ist nicht mit einer klaren Grenzlinie beschreibbar. Googelt man die Begriffe, zeigt sich eine lebendige Diskussion rund um die gestellte Aufgabe.
  • "Reibungsflächen zwischen Journalisten und PR entstehen dort wir auf einer oder beider Seiten unprofessionell gearbeitet wird" (Faber-Wiener, PRVA, Medientage 2004, www.pressetext.at).
  • „Wenn Journalisten den enormen Einfluss der Öffentlichkeitsarbeit auf die Berichterstattung nicht wahrnehmen, die PR-Fachleute aber im Gegensatz dazu sehr wohl über ihre eigene Macht und ihr Einflusspotential Bescheid wissen (so einschlägige Studien), dann ist das eine falsche Selbsteinschätzung der Journalisten, jedenfalls aber führt es zu einer falschen Fremdeinschätzung der PR-Leute“. (Rahofer 2002, "Macht und Ohnmacht der Medien")
Die Grauzone, in der sich Medienarbeit und Journalismus verschränken, lässt sich nur beleuchten, indem man die jeweiligen Aufgaben genauer definiert. Der Satz „Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie“ (Kurt Lewin), erleichtert (für mich als Biologin) eine Annäherung an Grenzen in der Praxis. Die Wissenschaftstheorie der PR ist recht jung, es gibt allerdings schon einer Reihe an Ansätzen wie z.B. Determinationsthese, Intereffikation und die Definition der Unterschiede von PR und Journalismus.
  • PR-Fachleute sind ihrem Auftraggeber verpflichtet. Sie übernehmen eine Interessensvertretung ihres Auftraggebers und positionieren die Organisation durch geeignete Maßnahmen (Kernkompetenz Medienarbeit) in der Öffentlichkeit. Sie sind sowohl aktiv, von der Organisation ausgehend als auch reaktiv, vom Informationsbedürfnis Anderer geprägt. Hier gilt der Grundsatz der funktionalen Transparenz, denn Medienarbeit richtet sich auf den Nutzen für die Organisation aus.
  • Journalisten sind Fremdbeobachter, Journalismus hat eine öffentliche Aufgabe. Recherche, Nachrichtenauswahl und Informationsverbreitung haben gesellschaftliche Interessen. Journalisten sind der Öffentlichkeit verpflichtet. Sie bekommen jedoch zu 62% ihre Informationen von Pressemittelungen und bewerten sie als anregend, notwendig und arbeitserleichternd (Baerns 1991).
Die Medienarbeit stellt die Verbindung von PR zum Journalismus dar, arbeitet man hier mit ähnlichen handwerklichen Techniken. Die Überschneidungen und Unterschiede zu erkennen geht einher mit dem Erkennen der gegenseitigen Macht (siehe Zitat Rahofer oben).
Das "Idealbild" einer gegenseitigen Einflussnahme wäre eine WinWin-Situation auf beiden Seiten. Das wird mit dem Begriff "Intereffikation" beschrieben. Es ist ein Kunstwort jüngster Diskussion, eine wechselseitige Ermöglichung und Einflussnahme. Gleichzeitig sind beide Seiten gezwungen sich den kommunikativen und organisatorischen Rahmenbedingungen der jeweils anderen Seite anzupassen (Adaption).

Eine Beurteilung wo Grenzen verlaufen, ist a priori schwierig da sie nie ganz neutral von außen gesehen werden können (es gibt nicht "die eine" Wirklichkeit). Allgemein formuliert sind für mich immer dort Grenzen zu setzen, wo es die Freiheit des Anderen einschränkt. Im Falle der PR gegenüber dem Journalismus überall dort, wo es in den Berufsethos des Journalisten - unabhängige Berichterstattung - eingreift. Als Ausgangsbasis für eine gute Zusammenarbeit sind auf dem PR-Tag 2004 von der prva die Do's and Don'ts zwischen PR und Journalismus erörtert und kurz in den "Sieben Goldene Regeln der Zusammenarbeit" zusammengefasst worden (www.prva.at).

Ich habe im Folgenden drei Beispiele ausgesucht und versucht Grenzen zu erkennen.
  • Pharmafirma richtet Kongress aus und bezahlt Wissenschaftsjournalist, der in einer Redaktion eines Magazins arbeitet, Reise und Kongress
Die Pharmafirma erwartet eine Gegenleistung durch einen Bericht und versucht damit aus wirtschaftlichem Interesse sich in den redaktionellen Teil eines Mediums einzukaufen um sich teure Inserate zu ersparen. Hier ist Offenheit – sprich Deklaration gefragt – und das Wissen der Medien um solche Strategien, Stichwort "bezahlter Beitrag". Weiters könnte aber auch Macht auf den Journalismus ausgeübt werden, indem die Pharmafirma der Redaktion diese Deklaration untersagt, ja sogar droht, keine Inserate mehr zu schalten. Das wäre bewusste Einflussnahme und Schleichwerbung, die Grenze, wie weit Pressearbeit gehen darf, eindeutig überschritten.
  • Doppeltätigkeit: freier Journalist und PR-Arbeit für eine Organisation in einer Person
Durch die unterschiedlichen Auftraggeberinteressen kann es zu Interessenskonflikten kommen, dem durch professionelles Arbeiten entgegengewirkt werden kann. Ist z.B. jemand für eine Organisation tätig, kann er nicht gleichzeitig kritisch als Journalist über dasselbe Thema schreiben. Hier muss meiner Meinung nach jeder selber Profi genug sein um sich selbst Grenzen und Richtlinien zu setzen. Als freier Arbeitnehmer ist es legitim mehrere Jobs anzunehmen. Hier kommt die Persönlichkeit und damit professionelles Umgehen besonderer Stellenwert zu. In der Rolle des PR-Profis sieht er Information einer Organisation als eine Rohstoffquelle für Journalisten und in der Rolle als Journalist bedient er sich bewusst aus mehreren Quellen.
  • Nutzen-Schadensrechung für das Unternehmen
Ein Unternehmen stellt aufgrund einer drohenden Negativberichterstattung bewusst positive Meldungen zur Verfügung um vom Thema abzulenken. Aus Sicht der PR-Leute mag so eine Geheimhaltungsstrategie vertretbar sein, wenn es einen Schaden für die Organisation abwenden kann. Aus Sicht des Journalisten oder der „Öffentlichkeit“ wurde hier schon manipuliert und inszeniert. Dieses Beispiel ist sicher ein Streitfall, wenn auch Praxis. Hier müsste man alle Umwelten eines realen Falles (welche Organisation, welche Öffentlichkeiten, Politik, etc.) zur Grenzdefinition miteinbeziehen.




Dieses Thema wurde im Rahmen des PR+plus Studiumserarbeitet.

Journalismus und PR – Ein Spannungsfeld?

62 Frauen (2/3 PR Frauen, 1/3 Journalistinnen) diskutierten unter dem Titel "PR – Bittsteller, Partner oder Entlastung der Redaktionen?" im Rahmen des 8. Österreichischer Journalistinnenkongresses. Gegenseitige Erwartungen, Ärgernisse und Arbeitsweisen wurden diskutiert, Vorstellungen und Erwartungen konkretisiert.
Einige Punkte können allgemein festgehalten werden, Unterschiedliche Einstellungen gab es je nach Arbeitsweise bei "Fotos", "Belegexemplar" und Umgang mit Presseaussendungen.
Fazit des Workshops: Persönliche Kontakte aufbauen und pflegen – Vertrauensverhältnis herstellen.

Vorstellungen und Erwartungen der Journalistinnen an die PR
  • Informationen dann wenn das Medium erscheint (Faktor Timing)
  • Zuschnitt auf das Medium
  • Orientierung am Tagesrhythmus
  • Pressemitteilungen: Der Betreff und die ersten Zeilen sind das Wichtigste
  • Nachtelefonieren wurde als besonders störend empfunden
Vorstellungen und Erwartungen der PR an Journalistinnen
  • Ausfindigmachen der jeweiligen Journalistinnen oft sehr schwierig (viele freie, keine Angaben der Medien) – Verweis auf das Pressehandbuch, Aufruf an die Medien, eine Liste der aktuellen Redakteur/innen online zu stellen.
  • Belegexemplar wäre wünschenswert, besonders dann wenn kein fixer Termin des Artikels zugesagt werden kann.
Eine gute Übersicht über Do's and Don'ts im Umgang mit Journalisten gibts in der Zusammenfassung des 24. PR Tages der PRVA )Sieben Goldene Regeln (PDF)

In der Rubrik Bleistiftasyl ein Aufsatz über Grenzen zwischen PR und Journalismus.

Anmerkung in eigener Sache

Ich distanziere mich ausdrücklich vor oben eingeblendener Werbeeinschaltung, die twoday.net allen Lesern, die durch Google hierher gefunden haben, aufs Auge drückt.

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